Zur Gestaltung des Heil- und Kostenplans eines Zahnarztes

OLG Koblenz, Urteil vom 22.02.2012 – 5 U 707/10

1. Einen Heil- und Kostenplan hat der Zahnarzt inhaltlich so zu gestalten, dass alle von der gesetzlichen Krankenkasse zu vergütenden Leistungen erfasst sind. Hätte der Patient in diesem Fall deutlich geringere Eigenzahlungen geschuldet, steht ihm insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

2. Zahlt der Patient auf insgesamt drei Rechnungen in der Größenordnung von 16.000 € ohne Zahlungsbestimmung pauschal 10.000 €, kann der Zahnarzt den Streitstoff seiner Honorarklage nicht dadurch auf die einer bestimmten Rechnung zugrunde liegenden Leistungen beschränken, dass er die geleistete Zahlung den beiden anderen Rechnungen zuordnet.

3. Leistungserschwernisse und einen daran anknüpfenden höheren Bemessungssatz muss der Zahnarzt in erster Instanz substantiiert darlegen. Wird das erst im Berufungsverfahren nachgeholt, ist es prozessual unbeachtlich.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 11.05.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
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1. Die Klägerin ist eine Abrechnungsstelle. Sie macht gegenüber dem Beklagten Honorarforderungen der Zahnärztin …[A] geltend und weist dazu auf eine entsprechende Abtretungsvereinbarung hin. …[A] hatte den Beklagten mit einer Oberkiefer- und einer Unterkiefer-Teleskopprothese versorgt, die am 10.05.2004 definitiv eingegliedert wurden. Vorbereitend war am 17.03.2004 ein Heil- und Kostenplan erstellt worden, den die gesetzliche Krankenversicherung genehmigte. Ergänzend schlossen …[A] und der Beklagte am 27.04.2004 Vereinbarungen über Mehrleistungen außerhalb des Plans. Diese Leistungen waren ebenso wie der Eigenanteil des Beklagten an den vom Plan abgedeckten Leistungen Gegenstand dreier Rechnungen, die die Klägerin unter dem 07.05.2004 fertigte.

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Die Rechnungen beliefen sich auf 6.348,40 € (Nr. 373047/05 betreffend den Oberkiefer), 7.874,32 € (Nr. 373046/05 betreffend den Unterkiefer) und 1.709,99 € (Nr. 373045/05 vorbereitende Arbeiten an beiden Kiefern betreffend). Der Beklagte zahlte ohne besondere Tilgungsbestimmung 10.000 €, so dass noch ein Saldo von 5.932,71 € offen steht. Dieser Saldo, den die Klägerin ausschließlich der Rechnung Nr. 373047/05 zuordnet, bildet nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten von 10 € den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

3
Der Beklagte hat dem Klageverlangen entgegengehalten, dass die Rechnungsstellung nicht prüfbar und überhöht sei. Außerdem hat er Mängel in der Prothetik gerügt, deren Beseitigung mehr koste, als die Klägerin an Zahlungen noch fordere. Nachbesserungsversuche …[A]s seien gescheitert und schließlich sei eine Abhilfe überhaupt verweigert worden. Dem hat die Klägerin widersprochen und ihrerseits den Vorwurf erhoben, dass es der Beklagte an Beanstandungen habe fehlen lassen, denen …[A] hätte nachgehen können.

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Das Landgericht hat …[A] als Zeugin vernommen und den Beklagten angehört. Außerdem hat es Sachverständigenbeweis zur Qualität der streitigen prothetischen Leistungen und zur Richtigkeit der Rechnung Nr. 373047/05 erhoben. Danach hat es die Klage abgewiesen. Seiner Auffassung nach ist es zwar zu einer Zession der Honoraransprüche …[A]s an die Klägerin gekommen, aber die Ansprüche bestünden nicht in der behaupteten Höhe, weil zahlreiche die Oberkieferprothese betreffende Rechnungspositionen überhöht oder überhaupt unberechtigt seien. Soweit noch eine Restforderung bestehe, könne sich der Beklagte mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen anfallender Mängelbeseitigungskosten verteidigen; auf eine Nachbesserung durch …[A] brauche er sich nicht einzulassen.

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Diese Entscheidung greift die Klägerin in Erneuerung ihres Begehrens mit der Berufung an. Sie wirft dem Landgericht vor, das gesamte Vertragsverhältnis der Parteien in seine Beurteilung einbezogen zu haben, statt sich auf die Rechnung Nr. 373047/05 zu beschränken. Diese Rechnung sei sachlich und förmlich korrekt. Der Beklagte werde lediglich insoweit zu Zahlungen herangezogen, als seine Kasse nicht einstandspflichtig sei. Mängelgewährleistungsansprüche schieden schon deshalb aus, weil Dienst- und nicht Werkleistungen betroffen seien. Dem tritt der Beklagte entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

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Der Senat hat zwei ergänzende Sachverständigengutachten eingeholt.

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2. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Im Ergebnis verbleibt es bei der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung.

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a) Es kann dahinstehen, ob den geltend gemachten Honorarforderungen, deren Zession an die Klägerin der Senat ebenso wie das Landgericht für hinreichend belegt erachtet, mit dem Hinweis auf Mängel in den erbrachten Leistungen begegnet werden kann. In dem angefochtenen Urteil ist das grundsätzlich bejaht und dem Beklagten dabei zudem ein Zurückbehaltungsrecht zugebilligt worden, ohne dass dann freilich erklärt wurde, warum ein Zug-um-Zug-Ausspruch unterblieb. Das stößt im Ansatz auf Bedenken. Alles spricht nämlich dafür, dass …[A] auf dienstvertraglicher Basis tätig wurde. Sie war – anders als ein Zahntechniker nicht mit der bloßen Anfertigung eines Zahnersatzes nach einem vorgegebenen Abdruck beauftragt, sondern mit der Herstellung eines Gebisses betraut, das sie nach der individuellen Situation des Beklagten konzipieren und in Würdigung eben dieser Situation einpassen musste. Insofern schuldete sie eine Leistung, die nur bedingt objektivierbar war und deshalb dienstvertraglich einzuordnen ist (Senatsurteil 5 U 548/10 vom 21.10.2010; OLG Frankfurt ZM 2010, Nr. 13, 111; OLG Naumburg NJW-RR 2008, 1056; OLG Oldenburg MDR 2008, 553).

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Stellt man daher die vom Beklagten gerügten Fehler, die sich im Wesentlichen in einer schlechten Eingliederung der beiden Prothesen äußern sollen, in einen dienstvertraglichen Rahmen, ist das grundsätzlich nicht geeignet, Gewährleistungsrechte zu begründen. Allerdings können die monierten Mängel in der zahnärztlichen Leistung den streitigen Vergütungsanspruch gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB in Fortfall gebracht haben, weil der Beklagte die Vertragsbeziehung im Hinblick darauf konkludent gekündigt hat, indem er nach dem 27.10.2005 nicht mehr in der Praxis …[A]s erschien. Dazu war er gemäß § 627 BGB uneingeschränkt berechtigt; ob ihm im Hinblick auf die durch den Sachverständigen …[B] festgestellten Unzulänglichkeiten in der Arbeit auch eine in § 626 BGB begründete Kündigungsbefugnis zur Seite stand, kann daneben auf sich beruhen. Erachtet man die von …[B] attestierten Schwachpunkte für mehr als nur geringfügig, ist der Beklagte insofern nicht entgeltpflichtig, als die Leistungen …[A]s sich im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Nachbesserung als nutzlos erwiesen haben (BGH NJW 2011, 1674). Dem braucht indessen nicht weiter nachgegangen zu werden.

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b) Die Klage scheitert nämlich unabhängig von irgendwelchen Fehlern in der zahnärztlichen Leistung an dem Erfüllungseinwand. Denn die Zahlungen von in der Summe 10.000 €, die der Beklagte bisher erbracht hat, decken alle potenziell vorhandenen Entgeltansprüche. Soweit sich die Klägerin weitergehender Forderungen berühmt, beruht das auf einer übersteigerten Rechnungsstellung. Für die zahnärztlichen Leistungen, die Gegenstand der drei Rechnungen Nr. 373047/05, Nr. 373046/05 und Nr. 373045/05 sind, hätte nur ein Gesamtentgelt angesetzt werden dürfen, das deutlich unter dem Zahlbetrag des Beklagten liegt. Das hat der Sachverständige …[C] im Einzelnen aufgezeigt.

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Die Rechnungen addieren sich zu 15.932,71 €. Sie sind nach den gutachterlichen Erkenntnissen im Hinblick auf die Oberkieferprothese im Umfang von über 3.000 € (“ca. 3.225,05 €”) und in Bezug auf die Unterkieferprothese um mindestens 3.673,59 € zu hoch. Damit ist die Klägerin überzahlt. Ihre Auffassung, die Leistungen des Beklagten seien primär bis zu den jeweiligen Rechnungsbeträgen den Rechnungen Nr. 373047/05 und Nr. 373046/05 zuzuordnen und nur in Höhe der verbleibenden Differenz auf die Rechnung Nr. 373045/05 gut zu bringen, so dass hier in jedem Fall noch ein Saldo offenstehen müsse, geht fehl. Der Beklagte hat keine Tilgungsbestimmung vorgenommen. Mithin sind seine Zahlungen – nach Maßgabe des § 366 Abs. 2 BGB – allein auf die effektiv vorhandenen Ansprüche zu beziehen, die so vollumfänglich erloschen sind.

12
Die Rechnungen der Klägerin belasten den Beklagten mit den Kosten sämtlicher zahnärztlicher Leistungen, die über den Rahmen des bei der gesetzlichen Krankenkasse eingereichten und von dieser honorierten Heil- und Kostenplans für einfache Teleskopprothesen mit je zwei Teleskopkronen hinausgehen. Eine solche Differenzberechnung ist zwar vom Grundsatz her richtig, greift aber konkret zu kurz. Wie …[C] aufgezeigt hat, hätte die Krankenkasse zu deutlich umfangreicheren Zahlungen herangezogen werden können und müssen, so dass der Anteil, für den der Beklagte richtigerweise aufzukommen hat, entsprechend geringer ausfällt, als ihn die Rechnungen ausweisen. Die weitergehende Haftung der Kasse ergibt sich daraus, dass mit der von dem Heil- und Kostenplan abgedeckten Prothetik keine hinlängliche Zahnsanierung verbunden war. Insofern wäre, wenn die von …[A] durchgeführten außergewöhnlichen Maßnahmen unterblieben wären, eine zusätzliche Versorgung erforderlich geworden, die die Kasse gesondert hätte finanzieren müssen. Mithin sind dem Beklagten Kosten auferlegt worden, für die nicht er, sondern seine Krankenkasse einstandspflichtig ist. Das kann er der Klägerin als Rechtsnachfolgerin …[A]s im Sinne eines Leistungsverweigerungsrechts (Arglisteinwand) entgegensetzen.

13
Außerdem enthalten die Rechnungen nach den Feststellungen …[C]s teilweise überflüssige oder nicht ohne weiteres vergütungsfähige Positionen. Darüber hinaus sind seinen Erkenntnissen nach manche Leistungen mit überhöhten Sätzen abgerechnet worden. Soweit die Klägerin dem nunmehr unter Nennung bestimmter Leistungserschwernisse entgegentritt, kann sie damit nicht mehr gehört werden, weil es sich um neues Vorbringen handelt (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Unabhängig davon genügt der nachgeschobene Vortrag nicht den Anforderungen von § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ.

14
Für die Erhebung eines ergänzenden Sachverständigenbeweises gibt es keine hinreichende Rechtfertigung. Insofern bedarf es weder der Einholung weiterer schriftlicher Gutachten noch der mündlichen Anhörung des Sachverständigen …[C] (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 411 Rndr. 5a). Die für die Urteilsfindung maßgeblichen Gesichtspunkte waren Gegenstand dreier schriftlicher Stellungnahmen von dessen Seite und sind erschöpfend erörtert worden. Der Sachverständige …[C] hat wiederholt eindeutige und überzeugende Antworten gegeben. Soweit Fragen offen geblieben sind, betreffend sie Streitpunkte, die keine entscheidungserhebliche Bedeutung haben.

15
Als Ergebnis ist mithin festzuhalten: Kürzt man die Summe der drei Rechnungen …[A]s um die von …[C] ermittelten Beträge, gelangt man zu einem Gesamtentgelt von beträchtlich weniger als 10.000 €. Das schließt noch offene Forderungen der Klägerin aus.

16
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht vorhanden.

17
Rechtsmittelstreitwert: 5.932,71 €

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